Definition: Bandscheibenvorfall

Dr. med Patrick A. Weidle, Chefarzt Muskuloskelettales Zentrum

Ein Bandscheibenvorfall (Diskushernie, NPP) kann in allen Bereichen der Wirbelsäule auftreten, findet sich allerdings besonders häufig in der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Halswirbelsäule (HWS). Dabei wird unterschieden in Bandscheibenvorwölbung (Bandscheibenprotrusion) bei intaktem äußeren Faserring und dem eigentlichen Vorfall, bei dem der Faserring gerissen ist und sich ein Teil vom Gallertkern aus dem Zentrum gelöst hat. Die klinischen Beschwerden sind dabei zum einem durch den Einriss des Faserrings selbst bedingt und können zum anderen durch Druck des ausgetretenen Bandscheibengewebes auf Nervenstrukturen der Wirbelsäule bedingt sein. Die Folge sind lokale Schmerzen an der Wirbelsäule sowie abhängig vom betroffenen Nerv auch Beschwerden in den Beinen (Lumboischialgie – Rücken-Bein-Schmerz) oder Armen (Cervicobrachialgie – Nacken-Arm-Schmerz).

Kontakt: Renate Ohligs-Sprenger, Chefarztsekretärin
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Mitarbeiter Herr Weidle

Ursache

Die Ursache für einen Bandscheibenvorfall ist in den meisten Fällen nicht bekannt. Einseitige Belastung im Beruf, mangelnde Bewegung oder eine genetisch bedingte Schwäche und Verschleiß sind Faktoren, die wissenschaftlich belegt eine Rolle spielen. Ein hohes Körpergewicht und insbesondere ein Nikotinmissbrauch sind weitere bewiesene Faktoren, welche das Auftreten von Bandscheibenvorfällen begünstigen können. In seltenen Fällen kann auch ein Unfall zu einem Bandscheibenvorfall führen, wobei in den meisten Fällen hier auch von einem Vorschaden auszugehen ist. Ein gehäuftes Auftreten von Bandscheibenvorfällen findet sich im Lebensalter von 30 – 50 Jahren.

Symptome

Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule (HWS)

Typisch sind Beschwerden im Nacken, die bei Bewegung stärker werden. Oft wird auch von Gefühlsstörungen, Schwäche und Schmerzen in einem Arm oder einer Hand berichtet, welche durch den Druck auf die Nervenwurzeln hervorgerufen werden.

Der Bereich der Schmerzen kann von Betroffenen sehr genau beschrieben werden. Anhand dessen lässt sich der eingeklemmte Nerv und damit auch die verletzte Bandscheibe in der klinischen Untersuchung eingrenzen. Gleiches ist von eventuellen Lähmungserscheinungen zu berichten. Auch hier liegt die Störung einer bestimmten Nervenwurzel vor. Im der weiteren Diagnostik gilt es, durch Röntgen- und MRT-Untersuchungen, die klinischen Beschwerden mit der individuellen Bildgebung abzugleichen.

Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule (LWS)

Ein Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule zeichnet sich durch starke Schmerzen in der Wirbelsäule und häufig auch in einem Bein aus. Ein frühzeitiger Hinweis kann schon ein Kribbeln oder eine andere neurologische Störung im von der betroffenen Nervenwurzel versorgten Gebiet sein.

Bei einem größeren Bandscheibenvorfall kann es auch zu weiteren Symptomen, wie Gefühlsstörungen oder einer Kraftminderung im Bein oder Fuß kommen. In seltenen Fällen ist die Funktion der Entleerung von Darm und Blase beeinträchtigt.

Konservative Behandlung

In Abwesenheit von dringlichen Gründen einer umgehenden Operation, werden Bandscheibenvorfälle in aller Regel konservativ behandelt. Dabei kommen laut nationaler Versorgungsleitlinie eine Vielzahl von verschiedenen Behandlungsoptionen in Betracht. An erster Stelle sollte immer die Anleitung zur Bewegung, ggf. in Kombination mit einer Physiotherapie und schmerzstillenden Medikamenten stehen. Einem Großteil der Betroffenen ist durch diese Form der simplen Unterstützung über die Zeit ausreichend Linderung geboten. Hier sollte nach spätestens sechs Wochen eine deutliche Besserung eingetreten sein, da die Bandscheibe i.d.R. in der Lage ist, sich im Laufe der Zeit zu erholen und an Volumen zu reduzieren.

Lediglich bei langanhaltenden, unerträglichen und therapieresistenten Schmerzen, bei rasch progredienten Lähmungserscheinung einzelner Muskelgruppen oder bei einer Kontrollschwäche von Blase und Mastdarm muss die Situation zeitnah durch einen Mediziner verlaufsbeurteilt werden. Eine Operation sollte dann kritisch gemeinsam mit dem Patienten diskutiert werden. Letztendlich gilt es auf der einen Seite nach Möglichkeit eine Operation zu vermeiden und auf der anderen Seite eine dauerhafte Druckschädigung des Nervensystems zu verhindern. Die Entscheidung wird dabei stets individuell und in Abhängigkeit der vorliegenden Beschwerdesymptomatik in Zusammenhang mit der vorliegenden radiologischen Bildgebung getroffen.

Operative Behandlung

Operation an der Halswirbelsäule (HWS)

Durch einen kleinen, minimal-invasiven Hautschnitt vorne am Hals, gelangt der Operateur an den Bandscheibenvorfall. Die Wegstrecke dorthin ist sehr kurz und erfolgt durch sogenannte anatomische Lücken, ohne wesentliche anatomische Strukturen zu verletzen. Die Bandscheibe wird anschließend vorsichtig unter mikroskopischer Sicht entfernt und der Druck auf die Nervenstrukturen entlastet. Das entleerte Bandscheibenfach wird im Anschluss durch einen Platzhalter, den sogenannten Cage, aufgefüllt und mit einem Knochenersatzstoff kombiniert. Mittelfristiges Ziel ist es, dass das nun entleerte Bandscheibenfach im Laufe der Zeit knöchern durchbaut und auf diesem Weg eigenständig eingesteift wird. Als zusätzliche Ausheilungshilfe wird in vielen Fällen der Cage mit einer dünnen Abstützplatte ergänzt, welche stabil mit den betroffenen Wirbelkörpern verbunden wird. Diese Verblockung beeinträchtigt kaum spürbar die Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Alternativ kann in ausgewählten Fällen auch eine teilbewegliche Bandscheibenprothese eingesetzt werden.

Operation an der Lendenwirbelsäule (LWS)

Je nach Lage vom Bandscheibenvorfall unterscheiden sich die Vorgehensweisen während der OP. In den meisten Fällen befindet sich die betroffene Bandscheibe innerhalb des Spinalkanals (mediolaterale Diskushernie). Hier muss der Operateur nach einem kleinen Hautschnitt im Lendenbereich einen Zugang in den Rückenmarkkanal schaffen, um zur verletzten Bandscheibe zu gelangen. Dies geschieht standartisiert unter mikroskopischer Sicht. Bei untypischen Lokalisationen der Vorfälle, kann auch eine endoskopische Operationstechnik zum Einsatz kommen. Ziel einer jeden Operation ist es, den Vorfall zu entfernen, die Nervenstrukturen vom Druck zu entlasten und dabei möglichst viel intaktes Bandscheibengewebe zu erhalten.

Chancen und Risiken

Nach 1-4 Tagen darf der Patient bei einem normalen Verlauf unser Krankenhaus wieder verlassen. In den ersten Tagen nach der Operation können Schmerzmittel notwendig sein. Der Patient bekommt auch erste Übungen vermittelt, die selbstständig zu Hause durchgeführt werden sollen. Des Weiteren erhält der Patient regelmäßige Physiotherapie. Eine temporäre Ruhigstellung des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes kann unter Zuhilfenahme von Orthesen notwendig sein. Alltägliche Tätigkeiten sind schon bald wieder möglich. Sechs Wochen nach der Operation ist die erste Schonzeit vorbei und der Patient sollte eine deutliche Verbesserung verspüren. Auch die Arbeitsfähigkeit ist zu diesem Zeitpunkt in aller Regel wiederhergestellt. Eine leichte körperliche Ertüchtigung ist unter kontrollierten Bedingungen bereits nach 2 Wochen und mildes Kardiotraining bereits nach 6 Wochen möglich. Zum Schutz der Ausheilung sollte für ca. 12 Wochen kein Kontaktsport betrieben werden. In aller Regel ist eine medizinische Anschlussheilbehandlung nach einer Bandscheiben-OP nicht indiziert.

Wie bei jeder Operation des menschlichen Körpers, bergen natürlich auch Operationen an der Wirbelsäule bestimmte Risiken. In Obhut einer hochspezialisierten Fachabteilung für Wirbelsäulenchirurgie sind diese Risiken jedoch überschaubar und werden individuell mit dem Patienten eingehend erläutert.

Wirbelsäulenchirurgie

Dr. med Patrick A. Weidle und Dr. med. Andrej Bitter

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Unser Team deckt die volle Bandbreite sämtlicher Erkrankungen und Verletzungen der Wirbelsäule ab. Wir sorgen dafür, dass die chirurgische Versorgung von Notfällen zeitnah geschieht und Sie als Patient unverzüglich durch unser hoch spezialisiertes Team aus den Fachbereichen Neurochirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie versorgt werden.

Modell einer Wirbelsäule inklusive Becken auf welches mit einem Stift gezeigt wird.